Wovor haben wir Angst?

2. Mai 2022

Liebe  Leserinnen und Leser,
 
neulich las ich darüber, wie stark Angst, Depressionen und Stress in der Bevölkerung zunehmen. Laut meiner Krankenversicherung DAK hat sich die Zahl der Fehltage aufgrund psychischer Krankheiten seit dem Jahr 2000 deutlich mehr als verdoppelt. Sie sind heute mit Abstand der wichtigste Grund für Berufsunfähigkeit. Gerade junge Menschen sind immer stärker betroffen.
 
Die vermuteten Gründe sind vielfältig: etwa, dass das Leben den Menschen viel mehr Schnelligkeit und Flexibilität abverlangt. Junge Menschen sollen in Rekordzeit ihre Schule und Ausbildung hinter sich bringen. Hat man es einmal in den Job geschafft, heißt es flexibel und erfolgreich zu bleiben. Berufsbilder haben sich in einem Affenzahn verändert.
 
Viele von uns verbringen den Tag vor Bildschirmen, so dass unser Hirn kaum zur Ruhe kommt. Nicht zu vergessen Corona, Klimawandel und der Krieg in Ukraine.
 
Achtet einmal in den Fernsehserien: Wer vor dem Laptop sitzt, hat ein Glas Rotwein neben sich stehen und schüttet es in sich hinein. Bei mir statt Rotwein, „Naschis“.
 
Was tun? Unternehmen und ihre Führungskräfte sollten versuchen, eine Kultur zu schaffen, in der Menschen sich mit Freude weiterentwickeln können – und nicht, weil sie Existenzangst haben müssen und versuchen sie unter Druck zu setzen.
 
Ist das leicht? Sicher nicht, denn der Wettbewerb ist hart. Märkte und auch unsere sind manchmal gnadenlos. Aber was bringt uns ökonomischer Erfolg, wenn dabei so viele Menschen und auch Aussteller*innen auf der Strecke bleiben? Für andere zu arbeiten bedeutet immer Druck, ihnen gerecht zu werden.
 
„Und wie gehst Du damit um“, werde ich oft gefragt.
 
Ich werde heute die Werbung für unseren Trittauer Mühlenmarkt am 21. und 22. Mai aufgeben – und da gilt es einige Strategien sie zu befeuern.
 
Spricht noch jemand von der Corona Pandemie? Scheint irgendetwas gewesen zu sein. Was war das denn noch einmal?
 
Aktuelle Themen der Deutschen sind wieder Urlaub – bevorzugt in der günstigen Türkei – nach dem Motto „wer weiß was noch auf uns zukommt?“ Plötzlich wird die Nord- und Ostseeküste im Vergleich doch wieder zu teuer empfunden.
 
Aber der Krieg in der Ukraine? Wir lernen Panzerhaubitze, Panzer Gepard, Panzermarder, Panzer in die Ukraine liefern oder besser doch nicht?
 
Ich war sechzehn als der Checkpoint Charlie, einer der Berliner Grenzübergänge durch die Berliner Mauer zwischen 1961 und 1990 die Friedrichstraße zwischen Zimmerstraße und Kochstraße den sowjetischen mit dem amerikanischen Sektor und damit den Ost-Berliner Bezirk Mitte mit dem West-Berliner Bezirk Kreuzberg verband. Die Gefahr habe ich damals gar nicht empfunden, weil wir in Hamburg wohnten.
 
Der Krieg in der Ukranine? Mörderisch und nicht zu fassen.
 
Bei uns in Trittau bei Rossmann steht eine junge Frau mit einem kleinen Mädchen ca. 6 Jahre. Das Mädchen ist gekleidet wie eine Prinzessin. Sie stehen vor einem Stand mit Kinderspielzeug und sprechen russisch. Die Mutter schüttelt mit einem traurigen Lächeln den Kopf, während sich in meinem Korb Kinderspielzeuge für Enie stapelt, weil sie krank ist. „Kommen Sie aus der Ukraine?“ frage ich.
 
Das Wort Ukraine kennt die Welt in jeder Sprache. Sie nickt. Ich schaue auf ihre kleine Prinzessin und zeige auf den Stand mit Spielzeug. In Zeichensprache erkläre ich ihr, dass sie sich etwas aussuchen darf und ich es bezahlen werde. Die Mutter versteht mich und schüchtern nimmt ihre Prinzessin ein Spielzeug aus dem Regal. Die Mutter bedankt sich mit ihren traurigen Augen, lächelt jetzt, und ich drehe mich um und verberge meine Tränen.
 
Die Flüchtlinge aus der Ukraine sind keine Bittsteller, und wir dürfen ihren Stolz nicht verletzen. Doch wir müssen sie beschützen so lange sie auf der Durchgangsreise bei uns sind.
 
Wir Deutschen haben Checkpoint Charlie überlebt, auch uns wurde geholfen und nun helfen wir den Ukrainern. Ich helfe mir immer, in dem ich etwas unternehme – und stelle mir vor wie ich in die Ukraine nach Kiew fahre und zu Wolodimir Selenski sage: „Alter, halte durch. Deutschland ist bei Dir“. Bei der Vorstellung muss ich selber lachen. Aber so halte ich durch!!!! Egal, wo was passiert, wir können immer noch etwas tun. Man hilft nicht nur den anderen sondern auch immer sich selber.